Als Teil des EU-Regulierungspakets für Online-Plattformen aus dem Jahr 2022 gilt das Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act – DSA) ab dem 17.02.2024 unmittelbar in allen EU-Staaten, ohne dass es einer weiteren nationalen Umsetzung durch die Mitgliedstaaten bedarf. In Deutschland ist eine entsprechende Anpassung des nationalen Rechts durch das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) geplant. Zum Zeitpunkt dieses Beitrags liegt hierfür lediglich ein Referentenentwurf vor.
Zweck des DSA
Der DSA beinhaltet einheitliche Regeln zu Sorgfaltspflichten und Haftungsausschlüssen für sog. „Vermittlungsdienste“ und soll damit zu einem sicheren, berechenbaren und vertrauenswürdigen Online-Umfeld und einem reibungslosen Funktionieren des EU-Binnenmarkts für Vermittlungsdienste beitragen. Unter anderem sollen durch den DSA illegale Netzinhalte besser bekämpft werden.
Unklarer Geltungsbereich
So klar der gute Zweck des DSA auch zu sein vermag, ist dessen Geltungsbereich und damit auch der Handlungsbedarf für einzelne im Onlinebereich tätige Unternehmen äußerst unklar, wie nachfolgend aufgezeigt wird. Dazu kommt, dass es derzeit in Deutschland auch noch keine zuständige nationale Aufsichtsbehörde gibt, die für spezifische Nachfragen zum Geltungsbereich des DSA zur Verfügung steht. Im vorgenannten Referentenentwurf zum DDG ist die Bundesnetzagentur als nationale Aufsichtsbehörde vorgesehen. Die Bundesnetzagentur nimmt derzeit aber noch keine Anfragen zum DSA entgegen.
Verständlicherweise erreichen uns zahlreiche Anfragen, ob der DSA in Einzelfällen anwendbar ist oder nicht.
Grundsätzlich sollen mit dem DSA neben Internetzugangsdiensten (z.B. Telekom und Vodafone), sozialen Netzwerken (z.B. Facebook und Twitter), Online-Marktplätzen (z.B. eBay und Amazon) und Suchmaschinen (z.B. Google und Bing) auch Online-Plattformen in die Pflicht genommen werden, die Verbrauchern den Abschluss von Fernabsatzverträgen mit Unternehmern ermöglichen.
Definition der „Vermittlungsdienste“
Der DSA gilt definitionsgemäß nach Art. 2 Abs. 1 DSA für sämtliche „Vermittlungsdienste“, die Nutzern in der EU angeboten werden – unabhängig von der Größe des jeweiligen Unternehmens. Hinter dem Tatbestandsmerkmal der „Vermittlungsdienste“ steht eine ganze Kette an Definitionen, die zu Teilaspekten auf andere EU-Verordnungen bzw. EU-Richtlinien weiterverweisen. So sind nach Art. 3 lit. g) DSA „Vermittlungsdienste“ die „reine Durchleitung“, „Caching“ und „Hosting“, soweit diese „Dienste der Informationsgesellschaft“ darstellen. „Dienste der Informationsgesellschaft“ sind dabei gemäß Art. 3 lit. a) DSA „Dienste“ im Sinne des Art. 1 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie (EU) 2015/1535, also „in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistungen“.
Neben den in dieser Definitionskette verbleibenden Auslegungsspielräumen bleibt insbesondere unklar, ob der Verweis auf die „Dienste“ im Sinne des Art. 1 Abs. 1 lit. b) der Richtlinie (EU) 2015/1535 impliziert, dass Dienstleistungen, die vom Anwendungsbereich der Richtlinie (EU) 2015/1535 ausgeschlossen sind, auch nicht als „Vermittlungsdienste“ im Sinne des DSA gelten. Dies beträfe u.a. „Finanzdienstleistungen“, die nach Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2015/1535 von deren Geltungsbereich ausgeschlossen sind. Entsprechendes gilt für Dienstleistungen, die bereits anderweitig reguliert sind, beispielsweise „Verkehrsdienstleistungen“, sofern diese den Hauptbestandteil der erbrachten Gesamtdienstleistung darstellen. Unseres Erachtens sprechen gute Gründe dafür, dass solche Dienstleistungen keine „Vermittlungsdienste“ im Sinne des DSA darstellen und damit vom Geltungsbereich des DSA ausgeschlossen sind.
Dafür spricht auch die EuGH-Rechtsprechung (Urteil vom 20.12.2017 – Az.: C 434/15), die die E-Commerce-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2000/31) für den Fahrdienst Uber als nicht anwendbar erklärt hat, da die betreffende Dienstleistung zwar grundsätzlich die Kriterien eines „Diensts der Informationsgesellschaft“ erfüllt, als integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung jedoch nicht als „Dienst der Informationsgesellschaft“ anzusehen ist, sondern als „Verkehrsdienstleistung“.
Erfordernis einer rechtlichen Einzelfallprüfung
Im Ergebnis ist für zahlreiche Unternehmen ohne detaillierte rechtliche Prüfung im Einzelfall nicht nachvollziehbar, ob und wenn ja, inwieweit der DSA auf ihr Unternehmen Anwendung findet. Gerne stehen wir Ihnen bei Fragen hierzu zur Seite.
Regelungsinhalte des DSA
Im Falle der Anwendbarkeit des DSA gelten für betroffene Unternehmen größenabhängig und abhängig davon, ob eine „reine Durchleitung“, „Caching“ oder „Hosting“ erbracht wird, verschiedene Regeln und Haftungsbeschränkungen. Nachfolgend werden beispielhaft und ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige dieser Regeln beschrieben:
Für sämtliche „Vermittlungsdienste“ besteht nach Art. 11, 12 DSA die Verpflichtung zentrale Kontaktstellen gegenüber den zuständigen Behörden und gegenüber den Nutzern zu benennen. Darüber hinaus bestehen nach Art. 14 DSA bestimmte Pflichtangaben für AGBs sowie Transparenzberichtspflichten nach Art. 15 DSA.
Weitere Bestimmungen zu Melde- und Abhilfeverfahren bzgl. rechtswidriger Inhalte gelten für „Hosting“-Anbieter, zu denen auch „Online-Plattformen“ zählen. Für solche „Online-Plattformen“ gelten darüber hinaus weitere zusätzliche Bestimmungen nach Art. 19 ff. DSA (u.a. Zugänglichmachung eines internen Beschwerdemanagementsystems, Teilnahme an Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung und zusätzliche Transparenzberichtspflichten). Diese weiteren Bestimmungen für „Online-Plattformen“ gelten jedoch wiederum nicht für Kleinstunternehmen und kleine Unternehmen gemäß der Empfehlung 2003/361/EG.
Gesetz über digitale Märkte
Neben dem Gesetz über digitale Dienste war das Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act – DMA) Bestandteil des EU-Regulierungspakets für Online-Plattformen aus dem Jahr 2022. Der DMA gilt bereits seit dem 02. Mai 2023 und beinhaltet strengere Regeln für marktbeherrschende Digitalkonzerne (Suchmaschinen, soziale Netzwerke oder Online-Vermittlungsdienste) in Bezug auf das Wettbewerbsrecht. Im Gegensatz zum DSA ist der Geltungsbereich des DMA jedoch klar definiert. Er gilt für bestimmte große Digitalkonzerne mit Systemrelevanz, die als „Torwächter“ nach Art. 3 DMA benannt wurden. Schwellenwerte hierfür sind u.a. ein Jahresumsatz des Unternehmens von durchschnittlich mind. 7,5 Mrd. EUR, ein Marktwert des Unternehmens von mind. 75 Mrd. EUR und eine Anzahl von 45 Mio. monatlich aktiver Endnutzer sowie 10.000 jährlich aktiver gewerblicher Nutzer.
Ansprechpartner: PH, KW