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ECSP-VO: Zulassung als Schwarmfinanzierungsdienstleister ermöglicht Einlagengeschäft ohne Bankerlaubnis

Von 25. Juli 2022Keine Kommentare

Klassische Kredite statt qualifizierter Nachrangdarlehen? Security-Token statt Genussrechte?

Deutsche Crowdfunding-Plattformen beschäftigen sich mit der EU-Verordnung über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister (ECSP-VO) vom 7. Oktober 2020. Diese ermöglicht die Zulassung der Plattform als europäischer Schwarmfinanzierungsdienstleister für die Vermittlung von Darlehen (Crowdlending) und Wertpapieren (Crowdinvesting), soweit die  Finanzierungsprojekte ein Volumen von 5 Mio. Euro pro Jahr und pro Projektträger nicht überschreiten.

Vorteil: EU-Passporting

Ein wichtiger Vorteil der Zulassung als europäischer Schwarmfinanzierungsdienstleister ist der leichte Zugang zum gesamten EU-Binnenmarkt über den „EU-Pass“ gemäß Artikel 18 der ECSP-VO.

Deutsche Crowdfunding-Plattformen mussten sich bislang in den engen Grenzen des Vermögensanlagengesetzes bewegen. Dafür genügte allerdings auch eine Gewerbeerlaubnis als Finanzanlagenvermittler nach § 34f Abs. 1 Nr. 3 GewO.

Weiterer Vorteil: Öffnung für Wertpapiere und Kredite ohne Nachrang

Im Gegensatz zu – weiterhin zulässigen – Schwarmfinanzierungen nach dem deutschen Vermögensanlagengesetz ermöglicht die ECSP-VO

  • die Platzierung von übertragbaren Wertpapieren im Sinne der MiFID II ohne die hierfür ansonsten erforderliche Erlaubnis für Wertpapierdienstleistungen nach dem Wertpapierinstitutsgesetz;
  • die Vermittlung von unbedingt rückzahlbaren Krediten, ohne dass der Projektträger die hierfür ansonsten erforderliche Bankerlaubnis für das Betreiben des Einlagengeschäfts nach dem Kreditwesengesetz innehaben muss (vgl. Erwägungsgrund 9 der ECSP-VO).

Gerade der letztgenannte Punkt bietet einen großen Vorteil für alle Akteure am Crowdlending-Markt. Denn bislang mussten sich die Anbieter von Darlehenslösungen entweder damit behelfen, dass sie lizensierte Kreditinstitute („Fronting-Banken“) zwischenschalteten, was eine direkte Darlehensvergabe über die Plattform verhinderte und die Dienstleistung verteuerte. Oder aber die direkte Darlehensvergabe über die Plattform wurde durch eine gefährliche Umgehungsstrategie ermöglicht; das Stichwort lautet „qualifizierte Nachrangdarlehen“.

Qualifizierte Nachrangdarlehen sind gefährlich

Eigentlich klingt alles ganz einfach: Qualifizierte Nachrangdarlehen sind zulässige Vermögensanlagen gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 VermAnlG, die BaFin sieht ihre Entgegennahme im Gegensatz zu anderen Darlehensformen nicht als erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft an. Kompliziert wird es allerdings beim Angebot gegenüber Verbrauchern. Die Zivilgerichte halten die Darlehensbedingungen mitsamt der Nachrangklausel für Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Zahlreiche in der Praxis verwendete Nachrangklauseln sind bereits wegen Verstößen gegen das AGB-rechtliche Transparenzgebot für unwirksam erklärt worden. Fachleute stellen sich mittlerweile die Frage, ob es überhaupt möglich ist, den qualifizierten Nachrang – bestehend aus einer vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre und einem Rangrücktritt für den Insolvenzfall – so zu formulieren, dass er der AGB-Kontrolle standhält.

Unwirksame Nachrangklauseln begründen einen strafbaren Erlaubnisverstoß

Die Folgen einer unwirksamen Nachrangklausel sind fatal, weil dann erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft betrieben wird. Der Erlaubnisverstoß begründet eine Strafbarkeit der Verantwortlichen (§ 54 KWG), und zwar nicht nur beim erlaubnispflichtigen Projektträger, sondern auch bei sämtlichen Mittätern, Anstiftern und Gehilfen (§§ 25-27 StGB). Aus diesem Grund können auch die Vorstände oder Geschäftsführer der Crowdlending-Plattform ins Visier der BaFin und der Staatsanwaltschaft geraten.

Folgen: vorzeitige Abwicklung, Insolvenz, Haftung

Wegen des Erlaubnisverstoßes wird die BaFin gemäß § 37 KWG die sofortige Abwicklung des unerlaubt betriebenen Einlagengeschäfts anordnen. Eine nachträgliche „Reparatur“ der Nachrangklausel wird von der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht akzeptiert (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23.11.2011, Az.: 8 C 18/10, Rdnr. 18), so dass die BaFin in der Praxis eine unverzügliche Fälligstellung und Rückzahlung der Darlehen verlangt. Häufig ist dies nicht möglich, weil das eingeworbene Kapital noch im Projekt gebunden ist. In derartigen Fällen wird der Projektträger Insolvenz anmelden müssen.

Die Investoren versuchen in solchen Fällen gelegentlich, ihre Schäden mit Haftungsklagen auf den Projektträger und die Plattformbetreiber abzuwälzen. Wegen des Erlaubnisverstoßes kann auch eine persönliche Haftung der Leitungsorgane im Raume stehen. Diese sind besonders folgenschwer, weil die D&O-Versicherungen der Leitungsorgane womöglich die Deckung verweigern, wenn die Schadenersatzansprüche auf die Verletzung von strafbewehrten Schutzgesetzen gestützt werden.

Wegen dieser eklatanten Gefahren ist der von der ECSP-VO nunmehr erlaubte Einsatz klassischer Kredite für alle Projektträger und Plattformbetreiber attraktiv, da er den Rückgriff auf die risikobehafteten Nachrangklauseln obsolet macht.

Weitere Vorteile: Token, individuelle Verwaltung, Zweitmarkt

Die Zulassung als europäischer Schwarmfinanzierungsdienstleister bietet Crowdfunding-Plattformen weitere Vorteile:

  • Durch die Öffnung für Wertpapiere können auch elektronische Wertpapiere und Finanzinstrumente auf DLT-Basis (Security Token bzw. Investment Token) angeboten werden.
  • Plattformbetreiber können ihren Kunden eine individuelle Verwaltung ihres Kreditportfolios anbieten, und zwar auf Grundlage vorab festgelegter Parameter (Art. 6 ECSP-VO).
  • Ferner kann ein Zweitmarkt angeboten werden, in dem Interessenten Kauf- und Verkaufsangebote für diejenigen Wertpapiere und Kredite abgeben können, die ursprünglich auf der Plattform angeboten worden sind („Forum“, Art. 25 ECSP-VO).

All diese Möglichkeiten bestehen im Rahmen einer entsprechenden Zulassung nach Art. 12 ECSP-VO, weitere Erlaubnisse nach Kreditwesengesetz oder Wertpapierinstitutsgesetz sind nicht erforderlich.

Nachteile:

Diesen Vorteilen stehen allerdings auch Nachteile gegenüber. Neben der bereits genannten Beschränkung auf 5 Mio. Euro pro Jahr und Projektträger sind folgende Nachteile zu nennen:

  • Das Zulassungsverfahren nach der ECSP-VO ist aufwändiger als das Erlaubnisverfahren nach der Gewerbeordnung.
  • Der Geschäftsbetrieb unterliegt Organisations- und Verhaltenspflichten, die Finanzanlagenvermittler nach der Gewerbeordnung nicht haben.
  • Auch wenn der Vertrieb prospektfrei möglich ist, so muss doch ein Anlagebasisinformationsblatt (KIIS) zur Verfügung gestellt werden, das vom Projektträger zu erstellen und vom Schwarmfinanzierungsdienstleister zu prüfen ist (Art. 23 ECSP-VO). Beim Angebot individueller Verwaltung des Kreditportfolios muss der Schwarmfinanzierungsdienstleister ein eigenes KIIS erstellen (Art. 24 ECSP-VO). Die Anlagebasisinformationsblätter nach der ECSP-VO sind in der Erstellung aufwändiger als die Vermögensanlagen-Informationsblätter nach dem VermAnlG.
  • Der Haftungsmaßstab für fehlerhafte Anlagebasisinformationsblätter ist scharf (einfache Fahrlässigkeit) und der Kreis der haftenden Personen umfasst die Leitungsorgane von Projektträgern und Schwarmfinanzierungsdienstleistern (vgl. §§ 32c, d WpHG).