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Pflichtangaben zu Verbraucherschlichtungsstellen – 10 Q&A für Finanzdienstleistungsinstitute

Von 27. Juli 2017Juli 23rd, 2020Keine Kommentare

Die Regelungen zu freiwilligen und obligatorischen Streitbeilegungsverfahren vor Verbraucherschlichtungsstellen sind zuletzt komplex geworden. Dies trifft insbesondere auf die Frage zu, wann welche Pflichtinformationen wo und wie zu erteilen sind.

Für Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Finanzdienstleistern bestehen diverse Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitschlichtung. Einige hiervon sind freiwillig, andere obligatorisch.

Flankierend bestehen gesetzliche Informationspflichten gegenüber Verbrauchern. Seit dem 01.02.2017 müssen Unternehmer, die eine Webseite unterhalten oder Allgemeine Geschäftsbedingungen verwenden, Verbraucher auf die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle hinweisen; die Einzelheiten ergeben sich aus § 36 VSBG (Verbraucherstreitbeilegungsgesetz). Zusätzlich sind Informationspflichten aus Art. 14 der europäischen ODR-Verordnung (EU-Verordnung 524/2013) und aus Art. 246b § 1 Abs. 1 Nr. 18 EGBGB zu beachten.

Die praktische Umsetzung dieser Informationspflichten bereitet immer wieder Schwierigkeiten. Deswegen stellt die Kanzlei Dr. Roller & Partner nachfolgend häufig gestellte Fragen und die hierzu gehörigen Antworten zusammen:

1. Ist die Teilnahme an Schlichtungsverfahren obligatorisch?

Viele Schlichtungsangebote sind freiwillig. Für diejenigen Streitigkeiten, die in § 14 Abs. 1 UKlaG (Unterlassungsklagengesetz) aufgelistet sind, ist die Teilnahme an einem außergerichtlichen Schlichtungsverfahren für Finanzdienstleistungsinstitute jedoch dann bindend, wenn der Verbraucher die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle anruft.

2. Wer ist die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle?

Dies bestimmt das Finanzdienstleistungsinstitut. Es kann jede für diese Streitigkeiten staatlich anerkannte private Verbraucherschlichtungsstelle hierfür auswählen. Diese Auswahl hat jedoch vorvertraglich zu erfolgen und muss dem Verbraucher auch vorvertraglich mitgeteilt werden. Macht das Finanzdienstleistungsinstitut nicht von seinem Auswahlrecht Gebrauch, so ergibt sich eine Zuständigkeit der Verbraucherschlichtungsstellen bei der Deutschen Bundesbank oder bei der BaFin (je nach Streitigkeit).

3. Gilt die Teilnahmepflicht auch für Finanzanlagenvermittler und Darlehensvermittler?

Teilweise. Eine obligatorische Teilnahme an Streitschlichtungsverfahren sieht das Gesetz u. a. bei Streitigkeiten aus der Anwendung folgender Vorschriften vor:

  • BGB-Vorschriften betreffend Fernabsatzverträge über Finanzdienstleistungen,
  • BGB-Vorschriften betreffend Darlehensvermittlung,
  • Vorschriften des Kapitalanlagegesetzbuchs.

In den genannten Fällen kann sich eine Teilnahmepflicht für Finanzanlagenvermittler bzw. Darlehensvermittler mit Erlaubnissen nach der Gewerbeordnung ergeben. Bei allen übrigen Streitigkeiten betreffend Finanzdienstleistungen gilt die Teilnahmepflicht nur für Finanzdienstleistungsinstitute mit KWG-Erlaubnis.

4. Gilt die Teilnahmepflicht auch für vertraglich gebundene Vermittler?

Grundsätzlich nein. Eine eigenständige Teilnahmepflicht kann allenfalls im Rahmen der unter Frage 3 genannten Streitigkeiten entstehen.

5. Auf welche Verbraucherschlichtungsstellen muss ich vorvertraglich hinweisen?

Auf all diejenigen, bei denen ich zur Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren verpflichtet bin – entweder aufgrund gesetzlicher Vorschriften (obligatorische Teilnahme) oder weil ich mich freiwillig zur Teilnahme verpflichtet habe.

6. Muss ich gegebenenfalls sowohl auf die Verbraucherschlichtungsstelle bei der Deutschen Bundesbank als auch auf diejenige bei der BaFin hinweisen?

Ja. Und zwar dann, wenn je nach Streitigkeit sowohl eine Zuständigkeit der einen als auch der anderen Verbraucherschlichtungsstelle denkbar ist (beispielsweise bei der Erbringung von Finanzdienstleistungen im Wege des Fernabsatzes).

7. Muss ich auch auf die Europäische Plattform zur Online-Streitbeilegung hinweisen?

Ja. Und zwar dann, wenn der Abschluss von Online-Kaufverträgen oder Online-Dienstleistungsverträgen im Sinne der ODR-Verordnung angeboten wird. Die Onlineplattform der EU ist zwar keine eigenständige Verbraucherschlichtungsstelle, Art. 14 der ODR-Verordnung sieht allerdings ausdrücklich vorvertragliche Informationspflichten vor.

8. Kann ich alle Informationspflichten in einem einheitlichen Textabschnitt erfüllen?

Dies dürfte vielfach möglich sein. Wichtig ist, dass hierbei sämtliche Vorgaben aus § 36 VSBG, ggf. Art. 14 der ODR-Verordnung sowie ggf. Art. 246b § 1 Abs. 1 Nr. 18 EGBGB umgesetzt werden, und zwar sowohl inhaltlich als auch formal. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Art. 14 ODR-Verordnung einige Besonderheiten enthält.

9. Was muss ich im konkreten Streitfall beachten?

Hinweispflichten bestehen nicht nur vorvertraglich, sondern auch im konkreten Streitfall. § 37 VSBG sieht einen unaufgeforderten Hinweis auf die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle vor, wenn eine Beilegung der Streitigkeit im Rahmen des Beschwerdemanagements nicht möglich war. Die Hinweispflicht besteht auch dann, wenn der Unternehmer nicht zur Teilnahme an dem Schlichtungsverfahren verpflichtet ist. Aus § 37 VSBG ergeben sich entsprechende Organisationspflichten für Finanzdienstleistungsinstitute betreffend das Beschwerdemanagement.

10. Was passiert, wenn ich meine Informationspflichten nicht ordnungsgemäß erfülle?

Da es sich bei den Informationspflichten einerseits um verbraucherschützende Regelungen im Sinne des Unterlassungsklagengesetzes und andererseits wohl auch um Marktverhaltensregeln im wettbewerbsrechtlichen Sinne handeln dürfte, ist bei Verstößen mit Abmahnungen und ggf. Unterlassungsklagen durch klagebefugte Einrichtungen/Verbände im Sinne des § 3 Abs. 1 UKlaG oder durch Konkurrenzunternehmen zu rechnen. Außerdem kann die Nichterfüllung vorvertraglicher Informationspflichten dazu führen, dass eine Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt wird und der Verbraucher daher über einen längeren Zeitraum berechtigt bleibt, seine auf den Abschluss eines Finanzdienstleistungsvertrages gerichtete Willenserklärung zu widerrufen. Schließlich können im Einzelfall auch Schadenersatzansprüche von Verbrauchern nicht ausgeschlossen werden.

 Sie haben Fragen oder Anmerkungen? Bitte kontaktieren Sie uns. Ansprechpartner sind alle Anwälte der Kanzlei; Verfasser dieses Beitrags ist RA Jan C. Knappe.