Offene Immobilienfonds werden häufig als sichere Anlage beworben und gehören zum klassischen Vertriebsportfolio zahlreicher Banken und Wertpapierinstitute. Das Marktvolumen offener Immobilienfonds liegt in Deutschland bei weit über 120 Milliarden Euro. Allerdings geht das für die Immobilienbranche schwierige Marktumfeld nicht spurlos an den Fondsanbietern vorüber. Viele Immobilienfonds verzeichnen seit geraumer Zeit erhebliche Mittelabflüsse.
Hinzu kommen mitunter erhebliche Kurskorrekturen aufgrund von Neubewertungen des Immobilienportfolios. Ein prominenter Fall ist der offene Immobilienfonds UniImmo: Wohnen ZBI, der hauptsächlich in Wohnimmobilien investiert. Der Fonds wurde 2017 aufgelegt. Es handelt sich um einen alternativen Investmentfonds (AIF) im Sinne des KAGB und um ein verpacktes Anlageprodukt im Sinne der europäischen PRIIP-VO. Die PRIIP-VO ist zwar seit dem 1.1.2018 anzuwenden. Aufgrund einer Übergangsregelung ist die Erstellung eines Basisinformationsblatts („PRIIP-KID“) für offene Immobilienfonds aber erst seit dem 1.1.2023 verpflichtend.
Gesamtrisikoindikator nach der PRIIP-VO
Vorliegend erstellte die verantwortliche Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) ein Basisinformationsblatt für den UniImmo: Wohnen ZBI, das zunächst einen Gesamtrisikoindikator (GRI) von „2“ auswies. Dies entspricht einer „niedrigen Risikoklasse“, bei der das „Risiko potenzieller Verluste aus der künftigen Wertentwicklung als niedrig eingestuft“ wird.
Ende Juni 2024 nahm die KVG eine Sonderbewertung ihres Immobilienbestandes vor, in deren Folge es zu einer signifikanten Abwertung und damit einer Senkung des Rücknahmepreises um rund 17% kam. Zum 17.7.2024 gab die KVG ein aktualisiertes Basisinformationsblatt heraus, das nunmehr einen GRI von „3“ (mittelniedrige Risikoklasse) auswies.
In einem aufsehenerregenden Urteil entschied das Landgericht Nürnberg-Fürth am 21.2.2025 (Aktenzeichen: 4 HK O 5879/24), dass im Basisinformationsblatt aber ein GRI von mindestens „6“ – der zweithöchsten Risikoklasse – hätte ausgewiesen werden müssen. Dies liege daran, dass die Rücknahmepreise nicht mindestens monatlich festgesetzt würden.
Die Argumentation des Landgerichts ist formal nachvollziehbar. Sie folgt dem Zusammenspiel von Art. 8 Abs. 3 lit. d) PRIIP-VO mit den diesbezüglichen präzisierenden Vorgaben in der Delegierten Verordnung (EU) 2017/653. Danach ist es so, dass verpackte Anlageprodukte bezüglich des Marktrisikos in der „Kategorie 1“ einzustufen sind, wenn ihre Preise nicht mindestens monatlich festgesetzt werden. Die Einstufung in „Kategorie 1“ hat aufgrund der regulatorischen Methodik zwingend zur Folge, dass der GRI im Basisinformationsblatt mindestens mit „6“ anzugeben ist.
Vorliegend war also zu untersuchen, ob der Rücknahmepreis mindestens monatlich festgesetzt wird. Die KVG bejahte dies und verwies auf ihre börsentägliche Berechnung der Rücknahmepreise. Die klagende Verbraucherzentrale hingegen verwies darauf, dass der Nettoinventarwert („Net Asset Value“ = NAV) des Fonds nur quartalsweise durch Bewertungsgutachten von Immobiliensachverständigen erfolge. Dieser Sichtweise folgte das Landgericht.
Was folgt aus diesem Urteil für Wertpapierdienstleister?
Zunächst einmal ist zu betonen, dass das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth nicht rechtskräftig ist. Das Berufungsverfahren läuft vor dem Oberlandesgericht Nürnberg. In der Fachwelt werden der Berufung durchaus Chancen eingeräumt.
Dennoch sollten alle Branchenteilnehmer bis auf weiteres davon ausgehen, dass offene Immobilienfonds nur dann mit einem GRI unter „6“ vertrieben werden können, wenn diese ihren NAV mindestens einmal im Monat gutachterlich ermitteln. Eine monatliche oder sogar börsentägliche Berechnung von Rücknahmepreisen auf der Grundlage älterer NAV-Bewertungen reicht nicht aus.
Im Vertrieb ist daher sorgfältig darauf zu achten, dass die Basisinformationsblätter den Anforderungen der Rechtsprechung genügen. Produkte mit unzutreffendem GRI sollten entweder gar nicht oder nur unter ausdrücklicher Richtigstellung des GRIs vertrieben werden.
Des Weiteren hat die Korrektur des GRIs Auswirkungen auf die Zielmarktbestimmung. Ein Immobilienfonds mit dem GRI 6 kann nur einem kleineren Kundensegment angeboten werden als ein Immobilienfonds mit dem GRI 2 oder 3.
Auch in der Finanzportfolioverwaltung hat die Risikoeinstufung Auswirkungen. Möglicherweise passen Immobilienfonds mit GRI 6 nicht mehr oder nur mit einer niedrigeren Gewichtung in defensiv ausgerichtete Verwaltungsdepots.
Was ist konkret zu tun?
- Die Product Governance für offene Immobilienfonds sollte geprüft und ggf. angepasst werden, insbesondere in Bezug auf die Zielmarktbestimmung.
- Bei der Plausibilitätsprüfung von offenen Immobilienfonds sollte der GRI kritisch hinterfragt werden.
- Offene Immobilienfonds im Bestand des Kunden sollten daraufhin geprüft werden, ob eine abweichende Risikoklassifizierung erforderlich ist. Ggf. sollte dem Kunden eine Anpassung (Verkauf, Reduzierung) empfohlen werden.
Haftungsgefahren
Bei Verwendung fehlerhafter Basisinformationsblätter droht eine zivilrechtliche Haftung auf Schadenersatz. Auch Banken und Wertpapierdienstleister müssen für mangelhaftes Informationsmaterial geradestehen, wenn sie die Mängel bei kritischer Prüfung mit banküblichem Sachverstand hätten erkennen können (Plausibilitätsprüfung).
Wie realistisch derartige Haftungsgefahren sind, zeigt ein weiteres Urteil betreffend denselben offenen Immobilienfonds UniImmo: Wohnen ZBI. Eine Volksbank empfahl einer unerfahrenen Kleinanlegerin ein Investment in diesen Fonds mit der Behauptung, dieser sei ebenso wie Festgeld in die bankinterne Risikoklasse 1 (von 5) einzustufen. Das Landgericht Stuttgart sprach der Kundin Schadenersatz wegen der Verletzung von Beratungspflichten zu (LG Stuttgart, Urt. v. 15.5.2025, Aktenzeichen: 12 O 287/24).